Am Freitag, dem 15. September hatte der deutsche Soziologe, Claus Offe einen Vortrag mit dem Thema „Drei Spaltungen Europas: Identität, Wirtschaft und das Scheitern der politischen Sprache“ im Athener Konzerthaus gehalten. Die Vortrag fand im Rahmen der Reihe von Veranstaltungen mit dem Titel „Theorie im Megaron: Philosophie, Kritik, Geschichte“ statt, die von dem Konzerthaus organisiert wird.

Claus Offe ist 1940 in Berlin geboren. Er hat Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität von Bielefeld, Bremen und der Humboldt Universität in Berlin gelehrt. Er wird zur Nachfolgegeneration der Frankfurter Schule gerechnet und hat bei Jürgen Habermas als Assistent gearbeitet. Seine Forschung konzentriert sich unter anderem auf Themen der Demokratietheorie, der europäischen Integration, des sozialen Staates und des Arbeitsmarktes. Zurzeit ist er Professor Emeritus an der Hertie School of Governance in Berlin.

Beginnend analysierte Herr Offe in seinem Vortrag die 2 geographischen Spaltungen, die in der Europäischen Union zu sehen sind. Auf der einen Seite ist die Ost-West Spaltung zwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten. Viele östliche Mitgliedstaaten bewegen sich zum Populismus und entfernen sich von der liberalen Demokratie und den demokratischen Institutionen. Diese Spaltung entschärfte sich während der Flüchtlingskrise wegen der großen Flüchtlingsströmen und dem von der Europäischen Kommission geplanten Reallokationsprogramm, das von vielen östlichen Ländern abgelehnt wurde.

Megaro3

Auf der anderen Seite ist die Nord-Süd Spaltung. Herr Offe argumentierte, dass die Einführung der gemeinsamen Währung Gewinner und Verlierer innerhalb der EU geschafft hat. Die nördlichen Mitgliedstaaten und insbesondere exportorientierte Länder wie Deutschland profitieren stark vom Euro, indem sie über eine starke Währung gegenüber dem Dollar verfügen. Im Gegensatz dazu stehen die südlichen Mitgliedstaaten, die die Währungsunion mit falschem Versprechen über mehr Konvergenz beigetreten haben. Jetzt befinden sie sich in einer schlechten Wirtschaftskrise und sind nicht in der Lage, ihre Währungspolitik selbst zu bestimmen und auszuüben.

Abschließend folgte eine Diskussion zwischen Herrn Offe und dem Publikum, bei der Fragen über den europäischen Sozialstaat, den Demokratiedefizit bei den europäischen Institutionen und die Menschenrechte unter anderem gestellt wurden.

Die Reihe des Konzerthauses geht am 16. Oktober mit dem Vortrag von Wendy Brown mit dem Thema „Freiheit und Autoritarismus“ weiter.

Anlässlich seines Vortrages in Athen hatte Herr Offe am 9. September ein Interview der griechischen Zeitung „Efimerida ton Syntakton“ gegeben.

Ein Teil seines Interviews:

Die von Berlin und von der Europäischen Kommission durchgeführte Politik hat Spaltungen zwischen den Mitgliedstaaten und Zentrifugalkräfte innerhalb der Union hervorgebracht. Das beste Beispiel ist die Migration. Welche Gefahren bringt das?

Es gibt zwei Hauptspaltungen in Europa: die eine ist die Nord-Süd Spaltung und bezieht sich auf die Finanz-, Wirtschafts-, Entwicklungs- und Währungskrise der letzten 10 Jahre. Die andere ist relativ jung und bezieht sich auf die Ost-West Achse. Auf der einen Seite gibt es die Mehrheit der alten Mitgliedsstaaten, die sich an einer aufgeschlossenen und kooperativen Bewältigung der Flüchtlingskrise orientieren. Auf der anderen Seite stehen die Visegrad Länder- oder die Visegrad Bande, wie viele das auch sagen-, die gegen jeden Kooperationsversuch sind. So tauchte der Spalt zwischen Ost und West in Bezug auf den Artikel 7 (der Romverträge) auf.

Griechenland hat die Verpflichtungen des Sparprogramms erfüllt und bittet sich jetzt um eine Schuldenerleichterung. Deutschland lehnt das trotzdem ab. Warum?

Die Weigerung basiert sich auf ein Lügensystem. Der Begriff „Schuld“ selbst ist eine Lüge, wenn man ihn bezüglich auf Griechenland benutzt. Die Schuld ist etwas, das man zurück erwartet, oder? Für den Fall Griechenlands stimmt das aber nicht und alle wissen das. Die politischen Parteien, -und das ist auch ein Fehler der sozialdemokratischen Parteien-, haben gescheitert, den Wählern zu erklären, dass die Fortsetzung der Sparpolitik in Griechenland die Krise verschlechtern und dauerhaft machen wird, weil der wirtschaftliche Aufschwung verhindert wird. Wenn man die Wahrheit den deutschen Wählern sagt, die uninformiert und ungebildet sind, dann hält man in der Wahlkampfkonkurrenz nicht mit. Auf diese Art und Weise haben wir dieses Lügensystem.

Was muss man tun?

Es muss eine Schulderleichterung geben, es gibt keine andere Lösung. Und was die Überverschuldung betrifft, müssen wir auf die Zukunft und nicht auf die Vergangenheit blicken. Die Zukunft schreibt eine Schuldenerleichterung vor. Herr Schäuble versucht, das zu vermeiden, ich sehe aber jetzt, dass er ein bisschen weicher geworden ist. Es ist zu seinem Lebensziel geworden, die Regeln für die griechischen Übertreter strenger zu machen.