Herr Tsiros Nikolaos ist in Athen geboren. Von 1982 bis 1987 studierte er Rechtswissenschaft an der Universitaet Athen. Von 1988 bis 1992 studierte er Philosophie, Politikwissenschaft und Soziologie an der Universitaet Heidelberg. In Heidelberg wurde  zum Dr. phil.promoviert(1992). Er arbeitet als Assoziirter Professor am Panteion Universitaet Athen. Er ist auch Gerichtsassesor beim juristischen Konsulat des griechischen Staates.

Er sprach mit Nikos Vlachakis:

In ihrem letzten Buch mit dem Titel „Politische Legitimation und Menschenrechte im Werk von J. Habermas“ legen Sie Ihre Aufmerksamkeit auf ein Thema von entscheidender Bedeutung, das die soziale und politische Theorie des großen deutschen Philosophen durchläuft, und zwar das Thema der Legitimation der politischen Systeme und deren Beziehung mit der sogenannten „Lebenswelt“. Wie wird also die Definition der Legitimation in der zeitgenössischen Gesellschaftstheorie wahrgenommen und wie ist sie mit der Theorie des „kommunikativen Handelns“ verbunden, die auch einen vorherrschenden Stellenwert in der Habermas’ sche Theorie hat?

In Ihrer Frage verbirgt sich eine andere, mehr kritisch, die folgendermassen formuliert werden  könnte:  “In welchem Umfang und in welcher Intensität hat sich die zeitgenössische Theorie von Habermas von ihrer andauernden Osmose mit der systemischen Theorie von Niklas Luhmann beeinflusst?”. Natürlich hat Habermas in ziemlich vielen Punkten seines Werkes die aus der systemischen Theorie für die Festigung eines bestimmten technokratischen Bewusstseins in der Studie des sozialen und politischen Phänomens hervorragenden Gefahren erklärt. Die Tatsache, dass er den Begriff “System” als eine Analysemethode “der Reale” annimmt, impliziert es jedoch schon einen bestimmten Abzug in dem emanzipierten Orientierung des kommunikativen Handelns. So verpflichtet sich “die Lebenswelt” als ein kultureller Grund des Soziallebens, sich fast erpresserisch in einem ständig gegenüberliegenden Zusammenhang mit dem “System” und seinem instrumentellen Handeln zu befinden. Die politische Legitimation widerspiegelt die Intensität in der Beziehung zwischen “Lebenswelt” und “System” verratend so die offensichtliche Sackgasse der Kultur und folglich des kommunikativen Handelns, damit sie die erweiternde Kraft der Wirtschaft bändigen. Ich glaube, dass diese Tatsache die Verteidigungsstelle der Legitimation als Begriff der zeitgenössischen Sozialtheorie als Folge hat, die sich gegenüber dem groben Handeln dieser Systeme, die den Kern und den Inhalt derselben der Kommunikation gewissenhaft verfälschen, immer mehr erschwert, ausreichende Lösungen herauszufinden.       

Seit dem Beginn der 1970er Jahre hatte der deutsche Philosoph eine Theorie über die „Legitimationskrise“ als erläuterndes Modell für die spätkapitalistischen Krisen formuliert. Anlässlich der Griechenland – Krise hat Habermas mehrmals zur Definition der „Krise“ Stellung genommen und den griechischen Fall im Rahmeneiner umfassenden systemischen Krise des europäischen Integrationsmodells betrachtet. Glauben Sie, dass sich die Gültigkeit seiner Theorie in diesem konkreten Fall bestätigen lässt? 

Die von Habermas für die Auslegung der Legitimationskrisen neumarxistische Benutzung des Begriffes “Spätkapitalismus”  zeigt seinen Versuch “innerhalb” des Kapitalismus über die entsprechenden Probleme zu sprechen. Nach Habermas ist schon seit dem Anfang der 70er Jahre der Umsturz des souveränen wirtschaftlichen Systems nicht das Ziel, sondern die Analyse der neuen Konfliktzonen, in denen der Klassengegensatz in latender Form bleiben muss und gleichzeitig eine umfassende Entpolitisierung der Massen. Außerdem gibt Habermas in einem jüngsten Interview unmissverständlich zu, dass es ab 1989 – 1990 keine Fluchtweise vom Kapitalismus gibt. Ein Versuch kultivierter Bändigung des Kapitalismus von “innen” ist das Einzige, was geschehen kann. Nun was die europäische Krise betrifft, hat Habermas wiederholt den “konstitutiven” Fehler der Europäischen Union betont, der daran liegt, dass sie hauptsächlich als wirtschaftliche und gleichzeitig nicht als politische Union begründet wurde. Trotzdem zeigt der Philosoph optimistisch zu sein. Europa kann anhand der völlig demokratischen Verrechtligung seiner Institutionen der lang erwartende Anfrage der gemeinsamen europäischen Herrschaft integrieren und folglich seine politische Legitimation erreichen. Habermas hat recht, wenn er die griechische Krise in den Geburtsfehler der europäischen Konstruktion eingliedert: Jedes Land trifft seine eigenen wirtschaftspolitische Maßnahmen, solange eine gemeinsame wirtschaftspolitische Gestaltung des europäischen Willens abwesend ist. Was Griechenland angeht, bekommt die Krise jedoch solche Merkmale, die Habermas logisch nicht kennen kann. Als Beispiel erwähne ich die mehrfache Wertkrise und die mangelnde in unserem Land “Kompromißkultur” was bezüglich des kommunikativen Handelns zwischen den Griechen in hohem Maße die emanzipierte Kraft der Theorie von Habermas widerruft.

Welche Beziehung bestehtzwischen der Theorie von Habermas und anderen Denkern wie M. Foucault, N. Luhmann und U. Beck? Und bei dieser Gelegenheit, wie hat der griechische Philosoph Panagiotis Kondylis das Werk von Habermas eingeschätzt?

Habermas hat am Werk der drei Denker, die Sie erwähnt haben, eine gesamte Kritik geübt. In meiner Studie systematisierte ich die Kritik von Habermas an Foucault, Luhmann und Beck, damit der interessierte Leser die erwünschten Informationen suchen kann. In diesem Punkt möchte ich nicht im inneren Kern der Argumente von Habermas bleiben:  Wenn er zum Beispiel die systemische Theorie von Luhmann als einen soziologisch popularisierten Ausdruck des technokratischen Bewusstseins tadelt, oder wenn er offensichtlich in der Machttheorie von Foucault kryptonormative und relativistische Angaben aufspürt. Ich bleibe hauptsächlich in dem gemeinsamen Punkt, der die obengenannten Denker trotz mancher Meinungsverschiedenheiten vereinigt, und der meiner Meinung nach nicht etwas anderes ist als eine philosophische Orientierung, die jede Bindung von der Philosophie des Bewusstseins aufbricht. Eine Philosophie des Individuums, die sich zweckmäßig von einer Philosophie des Bewusstseins entfernt, setzt gleichzeitig auch die meisten methodischen und bewertenden Grenzen und die Unzulänglichkeiten der heutigen Sozialtheorie. Die Kritik von Kondylis an dem Werk von Habermas hat genau zu diesem Punkt beigetragen: Kondylis begnügte sich nicht mit dem Hinweis der wissenschaftlichen und inhaltlichen Unzulänglichkeiten der Theorie des kommunikativen Handelns, sondern er ging noch einen Schritt weiter. Er erklärte, dass das Verlassen der Philosophie des Bewusstseins um der kommunikativen Intersubjektivität willen das menschliche Handeln fiktivweise vereinfachte. Als Folge blieb das menschliche Handeln bezüglich die Auslegung von einer Theorie der Antriebe rahmenlos, das heisst von der theoretischen Aggregation und von der außervernünflichen Element des menschlichen Verhaltens. Schließlich zielt Kondylis zu der richtiger Richtung, wenn er erklärt, dass Habermas das Element der Feindlichkeit – als ein von den festen ontologischen Größen jeder sozialen Beziehung – vernachlässigte.

In Ihrem Buch kommen Sie zur Schlussfolgerung, dass der Beitrag von Habermas zum demokratischen Rechtsstaat sich hauptsächlich mit der Entwicklung einer normativen Diskurstheorie befasst und das Analysefeld der wirtschaftlichen Interessen und die Art und Weise, wie sie sich mit dem bestehenden politischen Status quo verstricken, aus interpretativer Sicht, offen lässt (p. 225). Wird diese Lücke durch die Aktualisierung der Theorie der Legitimationskrisen und durch deninduktiven Zusammenhang von Ökonomie und Politik geschlossen? Könnte man jedenfalls von einem dynamischen Wiederauftreten des Politikums reden?

Tatsächlich ist etwas anderes die Bildung einer normativen dialogischen Theorie und der Versuch ihrer Anwendung in “harten” Systemen instrumentellen Handelns, wie dieser der Wirtschaft und der Politik. Der deutsche Philosoph verliess nie die Idee einer eventuellen Vereinigung der Theorie mit der Praxis, was auch die linkdrehende Seite seines Argumentes andeutet. Das Problem in seiner Theorie bleibt jedoch und liegt in der Unterbelichtung der wirtschaftlichen Interesse für die Begründung einer beratender Politik und eines beratenden Rechtssystems. Der wirtschaftliche Faktor wird mit Begriffen klassischer marxistischer  Argumentation die Krisen in der Umgebung des kapitalistischen Marktsystems erst anlegen. Es wird aber die Frage gestellt, ob diese Erstauslegung auch der Endbeurteiler für die Ursachen jeder Krise sein kann, wo sie und ob sie erscheint. Jedenfalls ist das Politische dieses, das nie seine Bedeutung für die Lösung einer Krise verlor und so etwas wird auch nie passieren. Das gilt, weil das Politische das “ultima ratio” ist, worauf die Bürger jedes Mal ihre Hoffnungen als kollektive Individuen setzen. Nur das Politische als System beansprucht immer und monopolweise auch das Recht auf die Auffindung des sogenannten “gemeinsamen Gutes”. Folglich nur das Politische historisiert die Bedürfnisse der Selbstinterpretation der Bürger in Bezug darauf, was sie in diesem unvollständigen Kampf für sich selbst und ihre mitreisenden Bürger als “Gut”halten.     

(Nikos Vlachakis)