Giannis Chryssoulakis leitet das Generalsekretariat für öffentliche Diplomatie und Auslandsgriechen im griechischen Auswärtigen Amt. Anlässlich des Jubiläumsjahrs 2021 gab er der „Greek News Agenda“ ein Interview, wo er von den Herausforderungen, der wichtigen Rolle und den besonderen Aufgaben des Generalsekretariats spricht.

Wir geben hier das Interview wieder.

Welche ist Ihre strategische Vision für die griechische öffentliche Diplomatie?

Ihre Frage, wofür ich mich bei Ihnen bedanke, führt mich gleich zum Wesen der Dinge. Die öffentliche Diplomatie ist ein wichtiger Mechanismus von sanfter Politik, der immer mehr, dank der neuen Technologien und der social media, an Bedeutung gewinnt. Er hilft und unterstützt gleichzeitig die traditionellen Formen der Diplomatie, die politische, die wirtschaftliche, die kulturelle Diplomatie usw. Dies ist ja auch der Grund, warum sich der heutige Premierminister Kyriakos Mitsotakis entschied, sie in das Griechische Auswärtige Amt einzugliedern und sie als die dritte Säule der Außenpolitik anzuerkennen. Die Büros der öffentlichen Diplomatie im Ausland, vor allem in Europa, in den USA, in China und in Australien bestehen bereits. Unser Ziel ist es nun, das Netzwerk zu erweitern und neue Stellen in Kanada, in Lateinamerika, in Afrika und in Asien zu eröffnen, wo Griechenland nicht nur politische und wirtschaftliche Interessen hat, sondern wo auch eine griechische Gemeinde existiert. Ich möchte hiermit auch unterstreichen, dass Griechenland zu den zehn wichtigsten Soft Power Ländern gehört, laut dem „IFG-Monocle Soft Power Survey 2020“ Bericht. Für das Griechische Auswärtige Amt ist die strategische Vision, die Bedeutung Griechenlands durch die kulturellen Werte hervorzuheben, die unsere Identität ausmachen. Ein weiteres wichtiges Ziel ist, die Kommunikation mit den auf der ganzen Welt existierenden griechischen Gemeinden, die Stärkung und Aufrechterhaltung der Beziehungen.

 

Sie haben bereits mehrere Veranstaltungen als Generalsekretär organisiert. Können Sie die wichtigsten nennen, die in der letzten Zeit stattgefunden haben?

Lassen Sie mich mit dem laufenden Jahr beginnen, das für Griechenland von besonderer Bedeutung ist, da wir die 200 Jahre seit dem Beginn der Griechischen Revolution gegen das osmanische Joch feiern. Es ist das Jahr, das uns die Möglichkeit bietet, das Bild eines heutigen, modernen Griechenlands mit allen seinen Errungenschaften in den zweihundert Jahren deutlich zu zeigen. Das Generalsekretariat für öffentliche Diplomatie und Auslandsgriechen ist in den meisten Veranstaltungen präsent, die anlässlich der Feierlichkeiten für die Griechische Unabhängigkeit in diesem Jahr stattfinden. Wir haben bis heute mehrere Dutzend Veranstaltungen unterstützt oder organisiert, wofür wir mehrere Gratulationen und Statements von Staatsoberhäuptern und anderen Persönlichkeiten empfangen haben. Auch in Russland läuft ein Jubiläumsjahr, das der griechisch-russischen Beziehungen gewidmet ist. Neulich war ich in einer Veranstaltung in Russland anwesend und ich wurde selbst Zeuge der Anziehungskraft, die die griechische Kultur auf dieses große Land ausübt. Ebenso in China, wo ich die Gelegenheit hatte, in den wichtigsten Pressemedien zu sprechen und die besondere Bedeutung der griechischen Unabhängigkeit zu erläutern. Wir eröffnen auch neue Kommunikationswege mit der arabischen Welt, indem das Generalsekretariat für öffentliche Diplomatie und Auslandsgriechen an Veranstaltungen bzw. literarischen Treffen mit griechischen und arabischen Autoren teilnimmt oder sie vielfach unterstützt.

Eine besondere Aufgabe ist die Förderung der griechischen Sprache auf der ganzen Welt mittels gezielter Veranstaltungen, wie die digitale Plattform „staellinika.com“, die sehr erfolgreich ist − vor allem jetzt unter den besonders schwierigen Pandemiebedingungen. Der „Tag der griechischen Sprache“ wurde nicht nur hier, sondern auch im Ausland durch die Büros der öffentlichen Diplomatie gefeiert. Es gab eigens dafür mehrere Veranstaltungen, Videokonferenzen und Diskussionen in Italien wie auch in Los Angeles, Montreal und Sydney. Das besondere Ziel all dieser Veranstaltungen ist, die Weltbedeutung der griechischen Sprache deutlich vor Augen zu führen.

Eine weitere Initiative bezieht sich auf das Universitätsstudium in englischsprachigen Fakultäten an griechischen Universitäten. Das Programm heißt „Study In Greece“ und beinhaltet eine Reihe von Veranstaltungen − nicht nur informativen Charakters, um die ausländischen Studenten bezüglich der Vorzüge eines Studiums an einer Griechischen Universität zu überzeugen. Dies ist ein besonderer Aufgabenbereich für die öffentliche Diplomatie, da die StudentInnen, die wegen eines Studiums zu uns kommen, ein besonderes Verhältnis, ja eine besondere Beziehung zu Griechenland entwickeln, welche in einer nicht so fernen Zukunft zu einer wirtschaftlichen oder anderen Zusammenarbeit zwischen den Ländern führen könnte. Es ist durchaus möglich, dass sie unser Land, in dem sie studiert haben, später besonders unterstützen wollen.

Hinzu kommt noch, dass inder nächsten Zeit ein digitales Seminar für alle Beamten des griechischen Auswärtigen Amtes in Zusammenarbeit mit der Oxford University organisiert wird. Auch ein digitales Seminar für Public Diplomacy wird zum zweiten Mal stattfinden, mit Fokus auf die „Diplomatie der Städte“ (City Diplomacy).

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Welche ist die Rolle, die die griechische Diaspora in der Aufwertung des internationalen Bilds von Griechenland spielt?

Öffentliche Diplomatie und Diaspora sind zwei Bereiche, die nicht konträr, sondern komplementär sind. Das zuständige Generalsekretariat im Auswärtigen Amt, das ich leite, ist die Brücke zwischen der Metropole und der Diaspora. Ich bin der Meinung, dass in der Zukunft die Diasporagriechen eine ganz große Rolle spielen werden, was die Förderung der griechischen kulturellen Werte anbelangt, aber auch als Brücken der Verständigung zu dem jeweiligen Ort, wo sie seit langem leben.

Die Auslandsgriechen haben von jeher eine große Rolle gespielt, was die Förderung und die aktive Unterstützung der griechischen Positionen auf der ganzen Welt anbelangt. Die besondere Rolle der griechischen Diaspora und der Philhellenen auf der ganzen Welt wurde dieses Jahr in verschiedenen Veranstaltungen deutlich, die anlässlich des 200jährigen Jubiläums der Griechischen Revolution von 1821 stattgefunden haben. Besonderer Erwähnung bedarf die Initiative der griechischen Diaspora, mit dem Anliegen, die Entscheidung zu annullieren, die historische Kathedrale „Hagia Sophia“ in Instanbul zu einer Moschee umzuformen, eine Entscheidung, welche massiv gegen die UNESCO-Regelungen verstößt.

Die heutige griechische Regierung hat als erste überhaupt das Wahlrecht der Auslandsgriechen gesetzlich verankert. Auch der Premierminister Kyriakos Mitsotakis und der zuständige stellvertretende Außenminister Kostas Vlassis starteten die Initiative, die digitale Plattform „myConsulLive“ ins Leben zu rufen, damit die im Ausland lebenden Griechen ihre Angelegenheiten per Video erledigen können. Parallel dazu läuft das Programm Virtual Assistant, welches Zugang zu allen Informationen und Anträgen schafft.

 

Wie unterstützt die griechische öffentliche Diplomatie die Ausübung der griechischen Außenpolitik?

Indem wir unsere nationalen Positionen hervorheben und somit das Bild unseres Landes auf der ganzen Welt stärken. Die öffentliche Diplomatie kann eine große Hilfe sein, die Ziele der Außenpolitik zu erreichen, da sie das Bild Griechenlands mitgestaltet. Das Ziel einer jeden herkömmlichen Außenpolitik ist es allerdings, die Unterstützung der anderen Länder in wichtigen außenpolitischen Fragen zu sichern. Genauso wichtig ist die wirtschaftliche Diplomatie, die Investitionen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit anderen Ländern und mit ausländischen Unternehmen. Aber wer würde behaupten, dass das Image eines jeden Landes in der öffentlichen Meinung bei der einen oder der anderen wichtigen Entscheidung nicht von besonderer Bedeutung ist? Die öffentliche Diplomatie schafft mit Hilfe der griechischen Kultur, die ja weltbekannt ist, Brücken der Verständigung und bringt die Länder einander näher. Indem dies geschieht werden auch unsere Positionen deutlicher und stärker. Ja sie werden mit größerer Entschiedenheit vermittelt.    

 

Allgemein gesehen ist Griechenland der Pandemie erfolgreich und mit Entschiedenheit entgegengetreten. Glauben Sie dass dies eine wichtige Rolle für das Image des Landes spielen wird?

Tatsächlich hatte Griechenland die Pandemie bei der ersten Welle gut im Griff. Auch während der zweiten Welle –trotz der starken Belastung des Gesundheitswesens− zeigten die BürgerInnen große Disziplin. Man kann schon sagen, dass Griechenland bei der Eindämmung der Pandemie sehr gut reagiert hat. Das Image wurde auch dadurch gestärkt, da es sich nunmehr um ein extrovertiertes, modernes Land handelt, mit einer innovativen Wirtschaft, die uns erlaubt hat, zu den Finanzmärkten wieder zurückzukehren und neue direkte ausländische Investitionen anzuziehen. Die Kreditwürdigkeit Griechenlands wird nunmehr von den Ratingagenturen positiv bewertet, die Bürokratie wurde erheblich vereinfacht und der öffentliche Dienst wird, auch durch die fortschreitende Digitalisierung, immer effizienter. Alle diese Komponenten werden uns durchaus in naher Zukunft zu den erwünschten Zielen führen − trotz der vielen Spannungen an unseren Grenzen wegen der wachsenden Flüchtlingsströme und trotz der aggressiven Haltung in der Ägäis, welche das internationale Recht und insbesondere das Meerrecht deutlich verletzt.

 

Tatsächlich entfernt sich Griechenland immer mehr von den negativen Stereotypen des letzten Krisenjahrzehnts. Dieses Jahr wurde unser Land zum ersten Mal unter den zehn ersten Ländern laut dem Bericht des „Monocle Magazins“ mit „soft power“ bezeichnet. Welche sind die charakteristischen Elemente der griechischen „soft power“?

Zu den bekannten kulturellen Werten, die ich vorhin kurz erwähnt habe, möchte ich von dem heutigen Land, vom heutigen Griechenland sprechen. Es ist das Image eines Landes, das immer noch heute Werte schafft, so wie es qualitative Produkte hervorbringt und innovativ ist. In diesem Rahmen sollte ja die öffentliche Diplomatie das Bild des heutigen Griechenlands auf der ganzen Welt tragen und zeigen. Das heutige Griechenland zeigen, das wettbewerbsfähiger wird und in unserer Region eine führende Rolle spielt und gut auf die Herausforderungen unserer sich schnell weiterentwickelten Welt reagiert. Wir sollen es allen erklären, warum sich z.B. ein Unternehmen wie Microsoft entschied, hier in Griechenland in data centers zu investieren. Wir sollen es allen erklären, dass Griechenland alle Voraussetzungen erfüllt, um bald zu einem Standort für die Pharmaindustrie und die Biotechnologie werden zu können. Vergessen wir nicht, dass der CEO von Pfizer Grieche ist. Griechen sind auch in den höchsten Positionen in Regeneron. Dies würde für uns ein doppelter Gewinn werden, denn so könnte das brain drain gestoppt werden. Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat bereits Steuererleichterungen für diejenigen der Auslandsgriechen angekündigt, die in Griechenland arbeiten wollen. Es sind sehr wichtige Maßnahmen, die nach der Pandemie eine stabilisierende Rolle spielen werden, damit Griechenland einen großen Wachstumssprung machen kann.

 

Welcher ist der Mehrwert der heutigen griechischen kulturellen Produktion, der zu den üblichen Komponenten der griechischen „soft power“ hinzugefügt wird?

Die kulturelle Diplomatie trägt entscheidend dazu bei, die Völker einander näher zu bringen. Die Kultur ist für Griechenland das Fundament einer Annäherung, die einerseits erfreut und andererseits bildet. Der kulturelle Austausch stärkt das gegenseitige Vertrauen und den gegenseitigen Gewinn. Die Autoren, die Künstler, die Kulturschaffenden können in Zusammenarbeit mit den griechischen diplomatischen Vertretungen und den entsprechenden Trägern eine große Rolle im Friedensprozess, der Zivilisation und der Menschenrechte spielen. Die frühere „Gräzität“, die das kulturelle Schaffen einst beherrschte, wird heute durch eine Inspiration ersetzt, die sich aus den heutigen Erfahrungen nährt, welche auf der ganzen Welt zu machen sind.  

 

Wie hat das Generalsekretariat für öffentliche Diplomatie und Auslandsgriechen auf die Herausforderungen der Pandemie reagiert?

Viele Veranstaltungen wurden allerdings verschoben oder annulliert. Dank der digitalen Technologie konnten wir jedoch präsent auf der ganzen Welt sein. Dank der Büros für öffentliche Diplomatie im Ausland sind wir in der Lage gewesen, unsere kommunikative Politik weiter zu gestalten und die Beziehungen zu den zahlreichen Gemeinden der griechischen Diaspora aufrechtzuerhalten. Wir warten allerdings darauf, wieder zur Normalität zurückzukehren, damit unsere Ziele neu gesteckt werden und das „Generalsekretariat für öffentliche Diplomatie und Auslandsgriechen“ seine Präsenz voll zeigen kann.

 

Wie urteilen Sie über die Resonanz der digitalen Plattform „StaEllinika.com“ und der entsprechenden anderen digitalen Plattformen der griechischen öffentlichen Diplomatie?

Die digitale Plattform „StaEllinika.com“, die für Schüler und Studierende weltweit geschaffen wurde, ist aus der Zusammenarbeit unseres Generalsekretariats mit dem „Zentrum Griechischer Studien“ der Universität Simon Fraser in Kanada, welches wiederum von der „Stavros Niarchos Foundation“ unterstützt wird, ins Leben gerufen worden. Wir sind besonders zufrieden, was die positiven Reaktionen anbelangt, die auf der ganzen Welt zu vernehmen sind. Es handelt sich um eine Initiative die zur Unterstützung der griechischen Schulen im Ausland und der Verbreitung der griechischen Sprache bzw. der griechischen Kultur beitragen möchte. Die digitale Plattform „StaEllinika.com“ ist für alle da, für die Griechen auf der ganzen Welt wie auch für diejenigen, welche die griechische Sprache erlernen und der griechischen Kultur allgemein näher kommen möchten. Dies ist von besonderer Bedeutung für die öffentliche Diplomatie. Zu der App kann man über tablets und smartphones, sowie über Android und IOS Zugang haben. Es sind bereits über 30.000 Personen aus 118 Ländern registriert. Die digitale Plattform „StaEllinika.com“ ist bereits in allen griechischen Schulen in den USA und in Kanada verfügbar. Bald wird sie auch in den griechischen Schulen in England und in Australien eingeführt. Mit besonderem Interesse werden die spanischsprachige und die portugiesischsprachige Versionen erwartet, die bald fertig sein werden.  

Aus dem englischsprachigen Magazin „Greek News Agenda“

(AL)