Wenig bekannt im Ausland, aber während seines Lebens nahezu populär in Griechenland war der große Lyriker und Dramatiker Angelos Sikelianos, dessen Todestag sich in den nächsten Tagen zum 70. Mal jährt. Er schrieb hauptsächlich Gedichte, die von einem großen schöpferischen Atem getragen werden. Auch Langgedichte, oder besser gesagt Gedichtzyklen, die heute zu den bedeutendsten des vorigen Jahrhunderts gehören. Seine Dramen schöpfen aus der griechischen Antike, sie sind jedoch hochaktuell und dennoch zeitlos. Mit einer großen Themenvielfalt, die von seinen vielen Interessen zeugt, gehört Angelos Sikelianos zweifellos auch zu den größten griechischen Essayisten des 20. Jahrhunderts.

 

Angelos Sikelianos im Jahr 1909

Angelos Sikelianos wurde auf der ionischen Insel Lefkáda am 15. März 1884 geboren. Seinen ersten Gedichtband „Alafroiskiotos“ (was übersetzt etwa „Der Schwärmer“ bedeutet) veröffentlichte er im Jahr 1909. Das wuchtige, mehrstrophige Langgedicht markiert heute einen Meilenstein der modernen griechischen Literatur, es fand jedoch zur Zeit der Erstveröffentlichung nur geringe Anerkennung. Wenig später lernte er den um ein Jahr älteren Nikos Kazantzakis (1883−1957) kennen und unternahm mit ihm zusammen viele Reisen, um das wahre, geistige Griechenland zu entdecken. Beide prägten mit ihrem inspirierten literarischen Schaffen aufs nachhaltigste die heutige griechische Literatur.  

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Delphische Spiele, 1927

Die Literatur genügte Angelos Sikelianos bei weitem nicht. Die sogenannte „Delphische Idee“, die dazu dienen sollte, das heutige Griechenland wieder zu einem geistigem Zentrum zu machen, beherrschte sein Leben bereits seit den zwanziger Jahren. Seine Vision hatte er zwar nicht verwirklichen können (da er viel zu wenig Unterstützung fand), trotzdem vermochte er durch seine „Delphischen Spiele“ Griechenland in einer sehr bewegten Zeit wieder in den Vordergrund zu rücken.

Es ging Angelos Sikelianos und seiner reichen amerikanischen Ehefrau Eva Palmer-Sikelianos (1874-1952) allerdings nicht um eine „touristische Attraktion“, oder gar um eine nostalgische Erinnerung an die griechische Antike, sondern eher darum, die Ideale des Friedens und der Völkerverständigung durch inspirierte Veranstaltungen wieder lebendig zu machen. Den beiden gelang es, die alte Theatertradition, die byzantinische Musik und die Volkskunst durch ein Fest im wahren Sinne des Wortes in der archäologischen Stätte von Delphi miteinander zu kombinieren. Die sogenannten „Delphischen Spiele“, die unter der künstlerischen Leitung des Ehepaars Sikelianos nur zweimal in den Jahren 1927 und 1930 mit großem Erfolg und internationalem Echo aufgeführt wurden, sind heute legendär.

Das Ehepaar Sikelianos organisierte antike Tragödien im Theater der archäologischen Stätte von Delphi, Konzerte mit byzantinischer Musik und Volkskunst-Ausstellungen. Im alten Haus von Angelos und Eva Sikelianos in Delphi wird nunmehr das „Museum der Delphischen Festspiele“ beherbergt. Das Haus ist ein großes, steinernes Gebäude mit gewölbten Fenstern, welches von wilder Natur umgeben ist.

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Eva Palmer-Sikelianos und Angelos Sikelanos in Delphi zur Zeit der Delphischen Spiele

Vor zwei Jahren ist ein weiteres Museum entstanden, das an den großen Dichter erinnert. Seine Heimatstadt Lefkáda widmete ihm ein eigenes Museum, das vor kurzer Zeit seine Pforten für das Publikum öffnete. Es handelt sich um das Geburtshaus des Dichters, der zweimal für den Nobelpreis für Literatur nominiert wurde. Das Haus wurde in den letzten Jahren komplett renoviert und zu einem modernen Museum umgewandelt. Das „Angelos Sikelianós Museum“ auf Lefkáda wurde letztes Jahr für den hochkarätigen Europäischen Museumspreis vorgeschlagen.

Delphi als Ort inspiriert immer noch heute. Am 6. Juni fand ein großes Konzert mit Beethovens neun Symphonien im antiken Theater von Delphi statt. Vom 11. bis zum 13. Juni wurden die Theateraufführungen der „Tage des kulturellen delphischen Erbes“ mit großem Erfolg veranstaltet. Die Vision des Dichters lebt weiter.

Am 19. Juni 1951 ist Angelos Sikelianós, einer der größten Dichter Griechenlands, in Athen nach langer Krankheit gestorben.

(AL)