Die „American School of Classical Studies“ in Athen veranstaltet eine digitale Ausstellung anläßlich des 200. Geburtstages von Heinrich Schliemann. Titel der Ausstellung: „The Stuff of Legend. Heinrich Schliemanns Life and Work“.

Korrespondenzen, seltene Dokumente, Fotomaterial aus Schliemanns Privatarchiv beleuchten das öffentliche, berufliche und persönliche Leben des berühmten Mannes. Die Exponate umfassen die ersten Jahren seines Lebens in Deutschland und seine erfolgreiche berufliche Laufbahn als Kaufmann in Russland, seine Reisen um die Welt, seine Hinwendung zur Archäologie, die großen Ausgrabungen, sein Familienleben in Russland und Griechenland, bis zu seinem dramatischen Ende in Neapel im Jahr 1890.

Portrait von Heinrich Schliemann 

Schliemann wurde als Sohn eines mittellosen Pfarrers am 1. Januar 1822 in Neubuckow in Mecklenburg geboren. Seine Mutter starb früh. Der Vater musste aufgrund des starken Alkoholkonsums die Pastorenstelle wechseln.

Trotz der widrigen Umstände seiner frühen Kindheit erlangte Schliemann auf legendäre Weise Ruhm und Erfolg. Der Kaufmann und Archäologe, der es zu einem großen Reichtum brachte, gilt als Entdecker und Ausgräber von Troja und Mykene und als einer der Begründer der modernen Archäologie. Bereits als Kind hatte der begeisterte Homer-Leser die Idee, die homerische Dichtung müsste einer geschichtlichen Wirklichkeit entspringen, und demzufolge glaubte er daran, die Stätten der Sagen finden zu können. Nach jahrelanger Kaufmannstätigkeit, zahlreichen Bildungsreisen sowie dem Erwerb etlicher Sprachen und schließlich nach einem späten Studium machte er sich 48-jährig auf, um in Kleinasien persönlich Ausgrabungen vorzunehmen. In Troja, Mykene, Tiryns und Orchomenos entdeckte er die Überreste der bedeutenden Kultur, die bis dahin als sagenhaft galt: der mykenischen Kultur.

Schliemann begann 1836 zunächst eine Lehre als Kaufmann in Fürstenberg, Hamburg und Amsterdam. Seinen Aufstieg im Amsterdamer Handelskontor verdankte er unter anderem seinen umfassenden Sprachkenntnissen. Mithilfe einer selbst erdachten Methode gelang es ihm, sich innerhalb weniger Monate eine bisher unbekannte Sprache anzueignen und sie beinahe perfekt zu beherrschen. So lernte er 1842 Holländisch, Englisch und Französisch, im Jahr darauf Spanisch, Italienisch und Portugiesisch. Im Lauf seines Lebens eignete er sich auf diese Weise insgesamt 12 Sprachen an, darunter Latein und Altgriechisch.

1842 reiste er für zwei Jahre nach Amerika und gründete dort eine Goldgräberbank. Nach der Tätigkeit in verschiedenen Handelshäusern eröffnete er 1847 ein eigenes Kontor in St. Petersburg. Das Vermögen, das er sich dort erwarb, ermöglichte ihm ab 1858 zahlreiche Bildungsreisen in Europa, Ägypten, Indien, China, Japan und Mittelamerika. 1866 nahm er in Paris ein Studium auf (Sprachen, Literatur und Philosophie), das er 1869 mit der Promotion in Rostock beendete. 1868 unternahm Schliemann die erste zielgerichtete Reise nach Griechenland. Mit 48 Jahren ließ sich Schliemann in Athen nieder und verwirklichte seine Idee, die griechische Frühgeschichte zu erforschen. Unter ausschließlicher Verwendung privater Geldmittel begann er 1870 mit den Ausgrabungen in Kleinasien, zunächst in Troja (1870, 1871/73, 1878/79, 1882), später auch in Mykene (1876), in Orchomenos (1880/81, 1886) und Tiryns (1884/85). Schliemann starb mit 68 Jahren am 26. Dezember 1890 in Neapel.

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Innenansicht des Schliemann-Hauses in Athen (heute das Numismatische Museum)

Seine Methoden gelten jedoch heute als wenig wissenschaftlich. In Troja hob er einen Graben aus und zerstörte dabei viel Wertvolles in den oberen Schichten, weil er völlig überzeugt war, dass sich weiter unten das authentische, das „homerische“ Troja befindet. Als er dort am 31. Mai 1873 tatsächlich sensationellen Schmuck und Gefäße aus der frühen Bronzezeit fand, erkannte Schliemann nicht, dass diese Funde noch rund tausend Jahre älter waren als die Zeit der Helden, die Homer besungen hat. Ähnlich ging es auf der Peloponnes zu, als er die Schachtgräber auf der uralten Burg von Mykene freilegte und den spektakulären Fund einer erstaunlich gut erhaltenen Goldmaske (heute im Nationalmuseum in Athen) dem König Agamemnon zuordnete.

Die letzten Abschnitte der digitalen Ausstellung befassen sich mit Schliemanns Nachwelt den Abenteuern seines persönlichen Archivs von 1936 bis zu seinem endgültigen Erwerb in den 1960er Jahren. Die Ausstellung, kuratiert von Eleftheria Daleziou und Natalia Vogeikov-Brogan, wird von einer Reihe von Podcasts über Heinrich Schliemann begleitet, die im Laufe des Jahres 2022 mit neuen Episoden bereichert werden.

Die Ausstellung ist bis Dezember 2023 online verfügbar.

Introbild: Die Goldmaske von Mykene.