Von Dionysien bis zum modernen Karneval

Dionysos auf einem Gepard, Pella (Nordgriechenland/Makedonien)

Ein Blick in die lange Geschichte der Menschheit zeigt, dass viele Religionen und Kulturen auf der ganzen Welt Bräuche und Feste mit religiösem Charakter entwickelt haben, die mit Verkleidung und Maskerade, Satire, Unterhaltung und wildem Treiben zu tun haben.  Solche Feste sollen der geistigen und körperlichen Entspannung und der geistigen Befreiung der Mitglieder einer Gesellschaft dienen.

Einige der wichtigsten, langlebigsten und erfolgreichsten Bräuche, die in Europa und insbesondere im Mittelmeerraum in der Antike blühten, waren die Dionysien, Kronia und Anthesteria Feste im antiken Griechenland.  Alle drei hatten einen starken orgiastischen und mystischen Charakter.  Es folgten die Saturnalien, Luperkalien und Bacchanalien Feste im alten Rom sowie die Kalenden im östlich-orthodoxen Reich, den Byzanz. Es gibt eine reiche internationale Literatur über die Bedeutung der dionysischen Feste (Kleine und Große Dionysien), die mit viel Wein und Liebe verbunden waren, und vor allem die Bacchanalien mit der „Wut“ beziehungsweise der wilden Ausgelassenheit der Frauen, die an ihnen teilnahmen. Die Gefolgsleute des Dionysos waren die Mänaden, die Satyre und die Silenier.

Boules oder Janitsaroi Karnevalsbrauch von Naoussa (Nordgriechenland/Makedonien))

Die Dionysus-Anhänger zogen durch verschiedene Teile des östlichen Mittelmeers, spielten Szenen und Figuren nach, sangen und tanzten. Der ewige Kreislauf von Leben und Tot und der Fruchtbarkeit war der religiöse Kern der dionysischen Feiern, wie einige der kultischen Beinamen des Gottes Dionysos zeigen: Dendrites (Gott des Baumes), Thallophoros (Gott der wilden Vegetation), Meilichios (Gott der Pflanzen), Theonos (Gott des Weines), Bacchus (Gott im Wahn), Leinaios (der Gott des neuen Weins), Staphylitis und Votris (der Gott der Trauben), Aegobolos (derjenige, der Ziegen tötet), Melanayis (derjenige, der die Haut einer schwarzen Ziege trägt) und Bugenis (Stierkämpfer).

„Koudounoforoi“, Karnevalsbrauch in Sohu, Thessaloniki (Nordgriechenland/Makedonien))

Der Ursprung der Tragödie – von griechischen Wörtern „tragos“, (Deutsch: Bock) und „ode“ (Deutsch: Gesang) – und des Theaters insgesamt im Dionysoskult ist unbestritten.  Die Maske (lateinisch „masca“) der Schauspieler, das stark geschminkte Gesicht und die raffinierte Kleidung, alles Elemente der Maskerade, trugen zur erfolgreichen Verkörperung der Helden in der Handlung, zur Identifizierung der Zuschauer und endlich zur seelischen Reinigung, der „Katharsis“ (griechisch „κάθαρσις“/kátharsis), bei. Während der Theateraufführungen, bei denen drei Tragödien und ein satirisches Drama an einem Tag aufgeführt wurden, ständig die Masken gewechselt wurden, damit dieselben Schauspieler ihre Rollen wechseln konnten.

Karnevalszug in Patras (Peloponnese, GR)

Mehrere Elemente und Ereignisse aus alten Dionysien, die weit verbreitet waren, überlebten im Laufe der Zeit.  Im Mittelalter wurden diese Traditionen auf das Christentum übertragen.  Der Karneval (griechisch „Απόκριες“/Apόkries) bedeutet die Enthaltsamkeit von Fleisch. Man kann feststellen, dass sowohl in den altgriechischen Dionysien als auch im modernen Karneval herrscht die Idee der närrischen Zeit mit Gelächter, Maskerade, Rollentausch und Satire, die eindeutig einen therapeutischen sozialen Charakter haben.

Rauchdonnerstag / Tsiknopémpti

Rauchdonnerstag/„Tsiknopémpti“

Karneval soll dabei die vierzigtägige Fastenzeit vor Ostern und Auferstehung Christi einleiten, die am Aschermittwoch der Katholiker beginnt.  Den Auftakt zur Fastenzeit bildet in der Orthodoxie der sogenannte „Reine Montag“, der dies Jahr am 18. März ist und mit vielen Sitten und Gebräuchen verbunden ist.  Nach der christlichen Tradition kennzeichnet die Fastenzeit die Reinigung von Körper und Seele („Katharsis“).  Während des Fastens dürfen in der griechisch-orthodoxen Kirche keine tierischen Erzeugnisse gegessen werden. Dazu zählen neben Fleisch auch Milchprodukte, Eier und Fisch.  Die Karwoche der Griechisch-Orthodoxen beginnt in diesem Jahr am 29. April und gipfelt in der Auferstehung Christi am Sonntag, den 5. Mai.

Man feiert heute den Schmutzingen oder Lumpigen Donnerstag beziehungsweise Rauchdonnerstag.  Auf griechisch heißt es „Tsiknopémpti“, weil an diesem Tag in allen Häusern, Tavernen und sogar auf den Straßen Fleisch gebraten oder Schweinefett ausgelassen wird und der duftende Rauch (tsikna) überall zu sehen ist. (KL)