„Hier gedenke ich wirklich den schönsten Tempel zu gründen / Stätte der Weissagung werd er den Menschen“, heißt es in dem berühmten homerischen Hymnus an Apollon aus dem siebten vorchristlichen Jahrhundert. Und so geschah es auch. Delphi -lange Zeit der sogenannte „Nabel der Welt“- ist bis heute ein eindrucksvoller Ort, der an Magie nichts eingebüßt hat.

Der Wagenlenker von Delphi, um 475 v. Chr.

„Die riesigen, steilen schweren Felsen der Phädriaden lasten auf dem Menschen, doch löst dieses Lasten keine Bedrückung aus. Die Berge gegenüber sind so harmonisch, beinahe heiter. Durch eine breite Öffnung geht der Blick ins Weite bis zum Meer. Alles ist gewaltig, ohne doch wild zu sein. Alles stimmt zueinander, alles wirkt erhebend auf den Menschen. Die Harmonie, die die Atmosphäre durchströmt, verwandelt ihn…“

Dies schrieb Alkis Thrylos vor knapp hundert Jahren, als ein großer Dichter und Zeitgenosse, Angelos Sikelianós, zusammen mit seiner amerikanischen Frau Eva, die ersten „Delphischen Spiele“ der Gegenwart im Jahr 1927 veranstalteten. Seitdem wird der ehemalige „Nabel der Welt“ immer wieder als Stätte für Theateraufführungen, Musikveranstaltungen oder Konferenzen benutzt.

Delphi ist ein besonderer Ort. Nikos Karoúsos, der große griechische Archäologe, der den ganzen Raum von Delphi von Grund auf gekannt hat, spricht von der unruhigen Form der Elemente, die sich harmonisch zusammenfügen. Eben deshalb ist der Ort dem Gott der Harmonie und des Lichtes, Apollon, geweiht.

Neun Monate lang war jedes Jahr Apollon Alleinherrscher des Heiligtums, für drei Monate jedoch übernahm sein jüngerer Bruder Dionyssos die Herrschaft im heiligen Bezirk von Delphi. Der einzigartigen Landschaft verdankt Delphi die einmalige Stellung, die es errang, und seine volle Anerkennung, das unangefochtene religiöse und geistige Zentrum der antiken griechischen Welt mehrere Jahrhunderte lang zu sein. Für die Griechen jener Zeit war Apollon der strahlendste unter den olympischen Göttern, dessen Rückkehr nach Delphi sie in jedem Frühjahr, im Februar, mit wahrhafter religiöser Frömmigkeit willkommen geheißen haben.

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Apollon und Daphne, Gemälde von Giovanni Battista Tiepolo

„Unter dem Licht des Apollon−Der Louvre in Delphi“ ist der Titel einer besonderen Ausstellung, die vor einem Monat von der griechischen Kulturministerin Lina Mendoni und dem Direktor des Louvre-Museums Jean-Luc Martinez offiziell eröffnet wurde. In der Ausstellung, die bis zum 31. Januar 2022 dauert, werden Schätze des Louvre-Museums vereinigt, insgesamt 28 Werke, die von 1440 v. Chr. bis ins 19.Jahrhundert hinein reichen. Diese Meisterwerke stehen im Dialog mit den Exponaten der ständigen Ausstellung des Delphi-Museums. Das besondere Thema, dem sich diese ungewöhnliche Ausstellung widmet, ist einerseits der Ursprung des Apollonkultes und die Wiederbelebung der antiken griechischen Welt in der Zeit der Renaissance und des Klassizismus.

„Die Beziehung zum Orient“, „Erkenne dich selbst“, „Die Macht der Orakelsprüche“, „Apollon und das antike Drama“, „Der Apollon von Europa“ sind manche der Abteilungen der Ausstellung. Es werden aus den Louvre-Schätzen unter anderem folgende Exponate gezeigt: ein Relief des berühmten ägyptischen Pharaos Echnaton, eine eindrucksvolle rotfigurige attische Vase des Menelaos-Malers, die Ödipus mit der Sphinx darstellt, eine Kopie der berühmten Deckenmalerei „Der Streitwagen des Apollon“ von Eugène Delacroix und das berühmte Gemälde „Apollon und Daphne“ von Giovanni Battista Tiepolo.

Damit soll eine neue Erkenntnis der Bedeutung von Delphi gewonnen werden. Es soll auch über den Apollon und das sogenannte apollinische Licht, über die Ausprägungen und die Wesenszüge seiner geheimnisvollen Gestalt nachgedacht werden. Der Gott des Lichtes trug Wesentliches bei der Formung der griechischen Antike und der neuen Renaissancezeit bei. Er inspiriert immer noch heute einen jeden von uns in unseren eher dunklen Zeiten, wenn wir seinem erhabenen Wesen mit Ehrfurcht näher kommen.  

Die Ausstellung ist mittwochs bis montags von 8 bis 19.30 Uhr und dienstags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Ab dem 1. November ist sie täglich von 8 bis 15 Uhr geöffnet.    

(AL)