Die griechische Regierungssprecherin Olga Gerovassili spricht in einem Interview mit Griechenland Aktuell über die Verhandlungen Griechenlands mit den internationalen Partnern und die Debatte über das Schuldenproblem, über den Wachstumsplan der griechischen Regierung bzw. die verschiedenen Aktivitäten im Rahmen des Griechisch- Russischen Jahres 2016.

1. Wie beurteilen Sie die Verhandlungen mit den internationalen Partnern vor und nach der Abschließung der ersten Prüfung des griechischen Finanzprogramms, zumal die Eröffnung der Debatte für das griechische Schuldenproblem sowie die Ankurbelung der griechischen Wirtschaft dringend sind?

Ein harter und langer Verhandlungsprozess ist nun erfolgreich abgeschlossen, der seit der Regierungszeit von Samaras und Venizelos anhängig war. Wir haben für das Wohl des griechischen Volkes verhandelt und eine Serie von negativen Folgen verhindert, die aufgetreten wären, falls all das, was unsere Vorgänger vereinbart hatten, umgesetzt worden wäre: dagegen ist die Hauptrente bewahrt und die Zusatzrente gesichert worden, das erste Heim geschützt und der öffentliche Charakter der PPC befestigt worden. Hinzu kommt, dass 50% der Einnahmen aus der Nutzung des öffentlichen Eigentums in wachstumsbefördernde Investitionen fließen werden.

Daher sind wir aus mehreren Gründen mit dem Ergebnis der Prüfung sehr zufrieden: zunächst wegen der Freigabe der Kreditrate, die die griechische Wirtschaft deutlich entlasten bzw. aufgrund der Begleichung der Staatsschulden an den Privatsektor zur größeren Liquidität beitragen wird. Des Weiteren ist auch die Bestimmung eines automatischen Schuldenerleichterung-Mechanismus von großer Bedeutung. Das bedeutet, dass wir uns nicht mehr auf die Einschätzungen der Vertreter der „Institutionen“ bzw. auf die Meinung des jeweiligen Finanzministers zu verlassen brauchen, zumal die Maßnahmen, die die Staatsverschuldung nachhaltig machen, automatisch in Kraft treten werden.

Ich möchte auch unterstreichen, dass dieser Mechanismus früher eingetreten ist, als es letzten Sommer vereinbart worden war. Damals hieß es nämlich, dass die Debatte für das Schuldenproblem nach der Abschließung der Programmprüfung beginnen würde. Schließlich ist nunmehr der Weg für die Ankurbelung der griechischen Wirtschaft geebnet und das Vertrauen für die griechischen und internationalen Investoren wurde wiederhergestellt. Zudem ist die finanzielle und soziale Stabilität unabdingbar für das Wirtschaftswachstum, das schnell kommen wird.

2. Die finanziellen und makroökonomischen Indikatoren der griechischen Wirtschaft von 2015 sind besser als prognostiziert. Was sieht der Wachstumsplan der griechischen Wirtschaft für 2016 vor und wie sehen die Aussichten und die Herausforderungen zur Ankurbelung der Konjunktur aus? Wie plant die Regierung die Umsetzung eines „Parallelprogramms“ zur Wiederherstellung des sozialen Zusammenhalts und zur Linderung von Menschen aus verwundbaren Sozialschichten nach 6 Jahren harter Anpassung und tiefer Rezession?

Der griechischen Regierung ist es gelungen, die Prognosen sowohl der Institutionen als auch des Anpassungsprogramms zu widerlegen. Das geschieht erstmals seit 6 Jahren. Mit hoher Gewissheit ist deshalb zu erwarten, dass die griechische Konjunktur in den kommenden Monaten wieder auf Wachstumskurs sein wird, und zwar innerhalb 2016. Das ist nicht nur unsere Meinung, sie entspricht auch den Einschätzungen aller international anerkannten Rating-Agenturen.

Allerdings kommt das Wachstum nicht von allein. Die Regierung hat bis zu 80% der im Rahmen des neuen Anpassungsprogramms vorgesehenen Vorbedingungen schon erfüllt und ist bereit, die Umsetzung von Entwicklungspolitiken störungsfrei fortzusetzen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde bereits im Parlament vorgelegt, während die internationalen Investoren ihr Interesse schon bekundet haben. Gleichzeitig machen wir weiter mit der Umsetzung aller vorhandenen Finanzinstrumente, wie z.B. das Förderprogramm ESPA (Nationaler Strategischer Rahmenplan) oder das Investitionspaket von Jean Claude Juncker. Insbesondere erzielte Griechenland, was den ESPA angeht, zum ersten Mal die höchste Absorptionsrate innerhalb der Eurozone im Vergleich zu allen anderen EU-Mitgliedsstaaten.

Was wir machen können, ist die Entwicklungsgewinne gerecht zu verteilen. Gerade in der ersten schwierigen Phase der Umsetzung der Vereinbarung im Juli 2015 wurde es bewiesen, dass unsere Prioritäten im Bereich sozialer Gerechtigkeit fest stehen. Die Regierung hat die Renten, die Löhne bzw. Arbeitsplätze geschützt und hat das Steuersystem reformiert, damit die Menschen aus verwundbaren Sozialschichten verschont werden und die oberen Sozialschichten mehr Lasten tragen. Nicht zuletzt haben wir es in dieser besonders schwierigen Zeit geschafft, eine Reihe von Maßnahmen des so genannten „Parallelprogramms für den Schutz breiter Teile der Gesellschaft“ zu ergreifen, wie z.B. den freien Zugang unserer nicht versicherten Bürger zur Gesundheitsversorgung.

3. Dieses Jahr wurde zum Griechisch- Russischen Jahr erklärt. Welche Aktivitäten stehen auf dem Veranstaltungsplan und was erwartet Griechenland nach dem offiziellen Besuch Putins in Griechenland sowohl auf kultureller, touristischer und wirtschaftlicher als auch auf politischer Ebene?

Die bilateralen griechisch-russischen Beziehungen erleben dieses Jahr eine neue Blütezeit. Das zeigt sich deutlich in dem reichen kulturellen Veranstaltungsplan und dem erhöhten Interesse der Russen für unser Land. Bemerkenswert ist auch dass die Zahl der Visaanträge sehr deutlich zugenommen hat. Ich halte es für realistisch, dass dieses Jahr doppel so viele Touristen aus Russland kommen werden.

Das Interesse beruht jedoch nicht nur auf dem Bereich des Tourismus, sondern es ist vielschichtig. Die griechische Regierung hatte sich sehr darum bemüht, die Beziehungen zu Russland, wegen des russisch verhängten Embargos auf europäische Produkte und dessen Folgen auf die Exporte, auf wirtschaftliche Angelegenheiten zu forcieren. Gleichzeitig zeigten Staatsunternehmen und einzelne große Unternehmer Interesse für Investitionen in unser Land.

Vergessen wir doch nicht, dass Präsident Putin bei seinem Besuch von mehreren Ministern begleitet wurde. Der Außenminister, der Energieminister, der Kultusminister, der zuständige Minister für Landwirtschaft und der Minister für wirtschaftliche Entwicklung beweisen doch, welche politische Bedeutung Griechenland für Russland hat und wie groß das Interesse für Investitionen in Griechenland ist.

Von besonderer Bedeutung für das diesjährige griechisch-russische Jahr ist die große Ausstellung von griechischer antiker Kunst im Staatlichen Historischen Museum in Moskau, die Ausstellung byzantinischer Kunst im Eremitage Museum, die Ausstellung von bedeutenden heutigen Künstlern in Exhibition Hall Manege in St. Petersburg und die Numismatik-Ausstellung im Puskin Museum. Vergangene Woche, als der russische Präsident Griechenland besuchte, wurde im Athener Byzantinischen Museum ein Exponat mit großer Symbolkraft zum ersten Mal gezeigt: Die berühmte Dreifaltigkeitsikone des wohl bedeutendsten russischen Ikonenmalers Andrei Rubljow.